Bericht: Physik-Studium

Hallo ihr ganzen AbiturientInnen, die ihr auf der Suche nach Informationen über das Physik-Studium auf der Seite der Fachschaft gelandet seid.

Ich neige leider dazu, sehr lange Texte zu schreiben, aber ich finde, jeder Abschnitt hier ist interessant, wenn man noch keine Ahnung vom Studieren hat, wie es halt nach dem ABI nun mal so ist. Wenn einer überflüssig wäre, hätte ich ihn gelöscht. Das zeugt von Qualität 😛 (und Rechtschreibfehler dürft ihr als Bonus behalten)

Es ist schön, dass ihr euch für Physik interessiert und diese Seite gefunden habt. Höchst  wahrscheinlich hat von euch noch niemand eine Ahnung, ob er wirklich Physik studieren will oder wie überhaupt irgendein Studium abläuft. Das ist alles kein Beinbruch, mir ging es genauso und ich will ein paar meiner Erfahrungen mit euch teilen:

Die Physik ist ein sehr vielfältiger Bereich und daher werdet ihr von jedem, den ihr fragt, äußerst überzeugend völlig verschiedene Sachen über das Studium hören. Es gibt einen großen Teil Mathematik (besonders in den ersten 4 Semestern), einen riiiiesen Teil Physik (dessen Ende man auch im 6. Semester noch nicht erahnen kann) und genug spannende Nebenfächer wie Informatik und Chemie um sich auszutoben.

Generell ein guter Tipp für jedes Fach: Geht zur Uni und sprecht mit den Studenten. Jeder von uns war auch mal Schüler und musste sich für ein Fach entscheiden. Ihr glaubt garnicht, wie hilfsbereit Studenten sein können. Bessere Infos kriegt ihr nicht!

Ist Physik das richtige Fach für mich?
Das kann ich dir leider nicht beantworten. Ich selbst wusste es bei mir auch nicht, bis ich angefangen habe zu studieren. Ich wusste nur: ich will studieren und mag Naturwissenschaften. Die Vorstellung an ein Mathestudium war mir zu trocken und mit Chemie bin ich nie richtig warm geworden. Computer mag ich, aber ich wollte auch nicht nur davor hocken… also ist es bei mir Physik geworden. Punkt.

Ich kann dir aber sagen, mit welchen Eigenschaften du dich ebenfalls eignen könntest:
Wenn du schon immer wissen wolltest, wie alles in der Welt zusammen hängt, wenn du schon mal aus Interesse Artikel über Schwarze Löcher oder ähnliches bei Wikipedia liest, wenn du „Star Trek“, „Star Gate“ und „Big Bang Theory“ gut findest, wenn du als Kind gerne mit Magneten und vielleicht irgendwelchen Elektrobaukästen rumgespielt hast, wenn dich Computer interessieren und du Programmieren kannst oder es immer schon mal lernen wolltest, dann bist du hier schonmal nicht komplett verkehrt. Wenn logisches Denken für dich im Allgemeinen vor Auswendiglernen steht, hast du hier gute Chancen. Die meisten von uns scheinen zudem in Deutschklausuren nie die längsten Abgaben gemacht zu haben, sondern haben sich lieber auf das Wesentliche beschränkt und trotzdem ne ordentliche Note bekommen. Vielleicht kommt dir das bekannt vor 😛

(Nichts davon muss natürlich auf dich passen. Das oben beschreibt mich und ich bin mit der Physik sehr glücklich. Wenn du dich darin wiederfindest, bist du hier vielleicht auch gut aufgehoben. Einfacher Kausal-Schluss 😉 )

Die Physik
Physik ist ein weites Feld. Wenn dich speziell nur Elektronik interessiert, dann solltest du lieber Elektrotechnik oder Maschinenbau studieren. Wenn du Atome faszinierend findest und gerne Chemikalien mischst, dann studiere Chemie. Wenn du beides und noch völlig andere Bereiche interessant findest; in keinem davon unbedingt ein Fachmann werden willst, sondern in erster Linie deine persönliche Neugier befriedigen willst, weil es dich interessiert! dann solltest du Physik studieren. Wenn du nicht wissen willst, wie du ein Auto baust, sondern warum es fährt, dich also das Innerste vom Innersten interessiert, gibt dir Physik die Antwort.
In den anderen Fächern rechnest du mit Formeln. Hier werden die Formeln hergeleitet. Hier erfährst du, WARUM etwas ist, wie es ist.
Physiker können das Gleiche wie Chemiker, Elektrotechniker, Informatiker, Maschbauer, Statiker,… und wer weiß welche Fächer es noch gibt. Wir können natürlich nichts davon so gut, als hätten wir das Fach komplett studiert, aber dafür stecken wir nicht fest, sobald wir ein Gebiet verlassen. Wir haben ein breites Grundgerüst an Wissen und wissen, wie man einen Bereich mit dem anderen verknüpft. Und wenn man etwas nicht weis, dann wird gegoogelt oder in einem Buch nachgeschlagen. Das mag etwas dauern, aber wir stecken nicht fest. Wir sind Problemlöser für komplexe Fragen und die beschränken sich meist nicht auf ein Gebiet. Auf dem Arbeitsmarkt werden wir dafür geschätzt, logisch denken zu können und das ist quasi das Zentrale, was du in diesem Studium mit auf den Weg bekommen wirst: logisches Denken und ein breites Band von Wissen.

Im Zweifel sollte man sich einfach mutig für ein Fach entscheiden. Wenn du denkst, dass Physik etwas für dich sein könnte, versuchs! Wenns vielleicht doch eher Mathe ist, auch gut! Im ersten Semester brechen viele ihr Studium ab, nicht weil sie es nicht schaffen, sondern weil sie gemerkt haben, dass es doch nicht das richtige war. Das ist nicht schlimm. Solange man daraus was über sich gelernt hat, war das kein verlorenes Semester. Das ist besser als sein Leben lang mit dem falschen Fach/Beruf unzufrieden sein nochmal deutlich besser als garnicht erst zu studieren, weil man zuviel Angst vor einer Fehlentscheidung hatte…

Zum Studium:

Die üblichen Reaktionen darauf, wenn ich erzähle: „Ich studiere Physik“, sind in etwa die Folgenden:

  • „OMG!“
  • „Also da war ich in der Schule ja immer schlecht drin…“
  • „OMG!“
  • „auf Lehramt?…“

Grade die Frage auf Lehramt bringt mich immer zum Schmunzeln :D. Alle denken immer, dass Physik auf Lehramt viel einfacher als das Bachelorstudium wäre. Um das gleich hier klar zu stellen: Lehrämtler haben in den ersten 4 Semestern die gleiche Vorlesung wie wir auch + ein zweites Fach + Didaktik, ergo mehr Fächer und damit aufwendiger. Nach dem 4. Semester sind die Wahlbereiche anders als unsere, aber einfacher ist es trotzdem nicht.

Die anderen 3 Punkte gehen auf die Vorstellung zurück, dass Physik ein hammerhartes Studium sei, das nur sozial verarmte Genies durchhalten können. Das stimmt nicht. Das Studium ist nicht leicht, aber das ist keines. Der Abstand Abitur-Universität ist nochmal etwa der gleiche wie Sekundarstufe I – Abitur, mindestens. Trotzdem ist es gut machbar, man wächst halt mit seinen Aufgaben und nach ein paar Wochen kommt es einem so vor, als wäre es nie anders gewesen. Nebenbei macht die Physik die meisten Grillfeiern, das größte Campusfest (Big Bang) und im Tanzkurs sind immer mehr als 10% Physiker-Paare. Von wegen sozial verarmt…

Trotzdem eignet sich nicht jeder für das Physik-Studium. Neben Fleis braucht man mathematisches Verständnis, Abstraktionsvermögen und logisches Denken. All das sind Dinge, die ihr im Studium sehr ausbauen werdet (ihr werdet genug Übungszettel rechnen, glaubt mir), aber wenn man das überhaupt nicht hat, ist es quasi unmöglich das zu lernen. Diese Leute kommen in der Schule auch nie mit Textaufgaben zurecht. Wenn ihr stattdessen gut auswendig lernen könnt, solltet ihr vielleicht Jura oder so studieren.
Das könnte ich zum Beispiel bestimmt nicht.

Die Fächer:

Mathematik:
In Physik gehts leider nicht ohne Mathe. Ihr werdet jede Woche rechnen, ihr werdet viel rechnen und ihr werdet echt teilweise kranke Sachen ausrechnen. Sachen die so verrückt sind, dass sie schon wieder cool sind (und am Ende doch Spaß gemacht haben).
Wenn ihr euch mit einer 4,0 im Mathe-GK durchs ABI gerettet habt, würde ich mir überlegen, ob ihr euch wirklich ein Physikstudium antun wollt. Es ist aber keineswegs nötig, mit Glanznoten im LK gesessen zu haben. Im Studium geht es quasi nochmal bei 0 los. Erinnert ihr euch noch an die 5. Klasse? Erste Woche nur Grundrechenarten wiederholt. Im Studium wiederholt ihr in der ersten Woche das Abitur. 😀
Es ist echt ernüchternd, wenn man in der ersten Vorlesung sitzt und das hart erkämpfte Wissen der letzten Jahre auf den Folien vorbeizieht, aber so ist es in jedem Studium. Die Uni ist halt kein Ponyhof. Je nachdem, wie gut ihr jetzt in der Schule wart, könnt ihr entweder abschalten und den Vortrag genießen, oder euch darauf einstellen, dass ihr in den ersten 2 Wochen viel wiederholen dürft, bis ihr mit dem Rest auf einem Level seid.
Ich sage das nicht, weil ich euch abschrecken will. Im Gegenteil, wenn man sich darauf einstellt und gewillt ist, zu lernen, kann meiner Meinung nach JEDER Physik studieren. Das Problem ist nur, wenn man Mathe seit der Schule hasst, dann hat es keinen Sinn sich weiter darin zu vertiefen.

Aber wenn ihr schon bis hierher gelesen habt und euch die Mühe gemacht habt, diese Seite zu besuchen, dann gehe ich davon aus, dass euch Physik wirklich interessiert. Und ich kann aus persönlich Erfahrung sagen, niemand, den Physik interessiert, scheitert an der Mathematik. Ja, man kann trotzdem durchfallen – nein, man muss die Mathevorlesung nicht mögen – aber es ist nicht so schlimm, wie man vor dem Studium glaubt.

Physik:
Die eigentliche Vorlesung… Hier kommt wirklich alles dran. Ihr kennt die Formeln aus eurer Formelsammlung fürs Abitur? Jetzt lernt ihr auch woher die kommen. Jeder Bereich, den ihr schonmal in der Schule hattet, angefangen bei Mechanik, wird nochmal abgehandelt
(Wichtig: Ihr braucht nicht im Mathe und Physik LK gewesen zu sein, um Physik zu studieren. Ich kenne genug mit Mathe-Bio, oder auch Bio-Physik, denen weder was in Mathe noch in Physik fehlt. LK-Wissen deckt im Studium die ersten 2 Wochen ab. Danach sind die LK Leute genauso aufgeschmissen wie der Rest auch :-P)
und ihr leitet die meisten Gleichungen von Grund auf her. Dazu kommen jede Menge Differentialgleichungen (glaubt mir, wenn ihr die so wie ich in der Schule nicht verstanden habt, nach einem Semester könnt ihr die blind lösen), Wellengleichungen, Elektromagnetismus, Optik und schließlich Quantenmechanik. Alles davon sieht auf den ersten Blick richtig krank aus, aber ihr habt jede Woche Hausaufgaben, in denen ihr das üben könnt und ihr dürft zu dritt abgeben. Man kann sich also austauschen und hat immer eine Woche Zeit.
Die Woche ist nicht besonders voll. Man hat genug Zeit für Sport, Freunde und was man sonst so macht. Man kann auch mal ein Fach vorziehen und hat dann immer noch mäßig viel Zeit. Ich kenne Studenten in anderen Fächern, die jeden Tag 8h in der Uni sitzen mussten. Dafür ist in der Physik der Stoff halt komplizierter, man kann nicht alles haben.

Nebenfächer:
Es gibt eine Menge von Bereichen, aus denen ihr Fächer wählen könnt/müsst. Wenn euch Informatik interessiert, könnt ihr mehr über Betriebssysteme, Hardware, Verschlüsselung oder verschiedene Programmiersprachen lernen. Wenn euch Wirtschaft interessiert, gibt es auch hier einen riesigen Haufen. Ebenselbiges gilt für die Bereiche Elektrotechnik, Chemie usw.. Nur weil ihr Physik studiert, seid ihr nicht darauf festgelegt. Es gibt genug Bereiche, aus denen ihr euer Studium maßgeschneidert auf euch zusammen basteln könnt. Physik ist nur die Hauptrichtig, aber ihr könnt dabei z.B. soviel oder wenig Informatik machen wie ihr wollt, das bleibt euch überlassen.
Diesen Aspekt schätze ich sehr an der Physik. Da man in vieles sowieso reinschnuppert im Grundstudium, kann so ziemlich jedes Fach auch angerechnet werden. Das heißt: Es wird als für euer Studium sinnvoll erachtet und die Note in diesem Fach zählt auch für euch.
Zum Beispiel könnt ihr euch als Physikstudent Volkswirtschaft anrechnen lassen, da ihr möglicher Weise mal in einem großen Unternehmen landen werdet. Ich kann es zwar nur vermuten, aber ich denke, dass es schwierig ist, als Wirtschaftler Physik als Nebenfach zu belegen… 😛

Fazit:
Die Entscheidung über euer Fach kann ich euch leider nicht abnehmen. Das gehört mit zum Studieren. Wenn ihr unentschlossen seid, sprecht am besten mit den Studenten, die wissen immer am besten, wie es für Erstsemester ist. Nebenbei gibt es noch die Erstsemesterzeitung, die ihr auch auf dieser Seite finden könnt. Da steht noch mehr drin, falls euch dieser viel zu lange Text noch nicht gereicht hat 😛
Das Physik-Studium in Dortmund ist wie jedes Studium hart, aber machbar. Die Profs sind fair, die Klausuren im Vergleich zu den wöchentlichen Abgaben sogar etwas leichter und das Arbeitsklima ist super.
Ich persönlich bin sehr froh über meine Entscheidung und würde wieder Physik studieren, wenn ich nochmal von vorne anfangen könnte.

Viel Erfolg bei eurer Entscheidung und vielleicht bis bald in Dortmund!